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Die Situation auf der Kindergartenstufe im Kanton Zürich: Eine empirische Studie im Auftrag der Bildungsdirektion des Kantons Zürich

Edelmann, Doris; Wannack, Evelyne; Schneider, Hansjakob (2018). Die Situation auf der Kindergartenstufe im Kanton Zürich: Eine empirische Studie im Auftrag der Bildungsdirektion des Kantons Zürich. Pädagogische Hochschule Bern, Pädagogische Hochschule Zürich.

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Im Rahmen der vorliegenden empirischen Studie wurde die Situation auf der Kindergartenstufe im Kanton Zürich untersucht. Dazu wurden aktuelle pädagogische Praxen sowie Erfahrungen und Haltungen der auf dieser Stufe tätigen Lehrpersonen erforscht. Im Zentrum der Erkenntnisinteressen standen auch die Sichtweisen der Eltern der entsprechenden Kindergartenkinder, sprachliche und kognitive Entwicklungen dieser Kinder sowie die Übergänge in den Kindergarten und in die Primarschule.
Mit einer multimethodischen Vorgehensweise wurden zwanzig Kindergärten im Kanton Zürich untersucht. Die Auswahl dieser Kindergärten erfolgte auf der Grundlage von drei Merkmalen: Gemeindetyp, Mischindex und Berufserfahrung der Kindergartenlehrperson. Es wurde darauf geachtet, dass die für die Studie ausgewählten Kindergärten in Bezug auf diese Kriterien möglichst kontrastreich ausgeprägt waren und somit typische Situationen von Kindergärten im Kanton Zürich repräsentierten.
In jedem der zwanzig Kindergärten wurde im Frühling 2017 der Unterricht eines gesamten Vormittags videografiert, d. h. vom Eintreffen des ersten bis zur Verabschiedung des letzten Kindes. Gemäss Einschätzungen der Kindergartenlehrpersonen handelte es sich jeweils um einen „typischen“ Kindergartenvormittag. Ergänzend wurde jede Kindergartenlehrperson interviewt. Bei den Kindergartenkindern wurden die sprachlichen Kompetenzen und die Ausprägungen der exekutiven Funktionen erfasst. Zudem wurde mit den Kindern ein Kurzinterview zu ihren Einstellungen zum bzw. Haltungen gegenüber dem Kindergarten durchgeführt. Die Eltern der entsprechenden Kindergartenkinder wurden mittels eines Fragebogens vor allem zu ihren Kindern und der Erziehungs- und Bildungskooperation mit den Kindergartenlehrpersonen befragt. Im Herbst 2017 wurden in denselben Kindergärten bei den neu in den Kindergarten eingetretenen Kindern und deren Eltern Erhebungen mit den gleichen Instrumenten durchgeführt. Die wichtigsten Ergebnisse zu den drei Themenbereichen können wie folgt zusammengefasst werden:

Unterrichtsgestaltung
• Die Kindergartenlehrpersonen sind in ihrem beruflichen Alltag mit sehr unterschiedlichen Konstellationen konfrontiert. Der Umgang mit diversen Herausforderungen erfordert ein breites Repertoire an Handlungsstrategien. Den Lehrpersonen gelingt der Umgang mit den diversen Problematiken auf unterschiedliche Weise.
• Obwohl die räumlichen Gegebenheiten in den einzelnen Kindergärten sehr unterschiedlich sind (z. B. umgenutzte Wohnung, Doppelkindergarten im Quartier, Schulzimmer im Schulhaus), präsentiert sich das Spiel- und Lernangebot insgesamt relativ ähnlich.
• Die Analyse der Videoaufnahmen hinsichtlich Strukturierung und Rhythmisierung des Unterrichts führte zur Identifikation von vier Sequenztypen: offene Sequenzen, geführte Sequenzen, Znüni und Aktivitäten draussen sowie Übergänge. Dabei variiert der jeweilige Anteil beträchtlich. In den zwanzig vorliegenden Videoaufnahmen zu einem typischen Kindergartenvormittag machen die geführten Sequenzen zwischen 16 und 54% des Unterrichts und offene Sequenzen zwischen 10 und 55% aus.
• Die Sprachanalysen in ausgewählten Videosequenzen zeigen, dass die Kindergartenlehrpersonen während diesen doppelt so viele geschlossene Fragen stellen wie offene. Kompetenzerwerb und Entwicklung der Kinder
• Die Analysen der erhobenen Daten bezüglich Sprachstand, Exekutiven Funktionen und sozioemotionalem Entwicklungsstand verdeutlichen, dass die Kindergartenkinder im Durchschnitt über einen Entwicklungsstand verfügen, der ihrem Alter entspricht. Zugleich zeigt sich eine grosse Heterogenität hinsichtlich der Entwicklung der einzelnen Kinder, die für die Kindergartenlehrpersonen eine Herausforderung bedeuten und eine individuelle Förderung bedingen kann.
• In den Kurzinterviews mit den Kindern wird einerseits deutlich, dass die Kinder des zweiten Kindergartenjahres mehrheitlich eine klare Vorstellung davon haben, was sie in der Schule erwartet, und dass sie sich andererseits auf den Eintritt in die Schule freuen. Die jüngeren Kinder äussern sich in den Interviews positiv zum Eintritt in den Kindergarten.

Kooperationen mit Fachpersonen und anderen Kindergartenlehrpersonen
• Kooperationen mit Fachpersonen wie Heilpädagoginnen und Heilpädagogen sowie Lehrpersonen im Bereich Deutsch als Zweitsprache und die Zusammenarbeit mit Assistenzen oder Stellenpartnern und -partnerinnen werden als unterstützend erfahren, wenn entsprechende Möglichkeiten gegeben sind. Insbesondere zu Beginn des neuen Kindergartenjahres (Herbst) wird von vielen Kindergartenlehrpersonen eine personelle Unterstützung gewünscht, um den hohen Anforderungen pädagogisch professionell zu begegnen.
• Kooperationen mit Primarschullehrpersonen sowie Fachkräften des Vorschulbereichs sind in den meisten der untersuchten Kindergärten noch wenig institutionalisiert.

Perspektiven der Eltern
• Die elterlichen Vorstellungen bezüglich eines typischen Kindergartenkindes decken sich weitgehend mit den Anforderungen, die der Kanton Zürich in seinen Informationsbroschüren für die Eltern an diese stellt.
• Mit der Erziehungs- und Bildungskooperation mit den Kindergartenlehrpersonen sind die Eltern mehrheitlich zufrieden. Allerdings zeigt sich, dass Eltern, die nicht Deutsch sprechen, von den Kindergartenlehrpersonen weniger gut erreicht werden können und häufiger unzufrieden sind mit der Zusammenarbeit.

Übergänge in den Kindergarten und in die Primarschule
• Die vorliegende Untersuchung macht deutlich, dass Kinder mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen in den Kindergarten kommen. Während einige Kinder bereits einige Jahre eine Kindertagesstätte besuchten, treten andere direkt aus der familialen Obhut in den Kindergarten ein. Besonders jüngere Kinder und solche, die andere Sprachen als Deutsch sprechen, aber auch Kinder, die in anregungsarmen Familien aufwachsen, benötigen eine besondere Unterstützung, damit ihnen der Schulstart gelingt.
• Die Kinder im zweiten Kindergartenjahr werden von den Kindergartenlehrpersonen auf ihren Übertritt in die erste Primarklasse bewusst vorbereitet.

Im vorliegenden Forschungsbericht werden die Ergebnisse der verschiedenen Erhebungen durch eine empirisch begründete Typologie ergänzt, mit der die zwanzig Kindergartenlehrpersonen vier verschiedenen Typen zugeordnet werden. Basierend auf den Erkenntnissen der Studie werden abschliessend pädagogische Konsequenzen formuliert, die sich insbesondere an amtierende und zukünftige Kindergartenlehrpersonen, Primarlehrpersonen, Schulleiterinnen und -leiter, Verantwortliche im Bereich der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen, die Bildungspolitik und die Gesellschaft richten. Zudem werden Forschungsdesiderate formuliert, die aufzeigen, wie die vorliegenden Befunde durch weitere Untersuchungen vertieft und ergänzt werden könnten.

Item Type:

Report (Report)

PHBern Contributor:

Edelmann, Doris, Wannack, Evelyne, Schneider, Hansjakob

Publisher:

Pädagogische Hochschule Bern, Pädagogische Hochschule Zürich

Projects:

[17 w 1000 01] Situation auf der Kindergartenstufe im Kanton Zürich Official URL

Language:

German

Submitter:

Jessica Brunner

Date Deposited:

05 Dec 2022 10:43

Last Modified:

08 Dec 2022 21:31

PHBern DOI:

10.57694/429

URI:

https://phrepo.phbern.ch/id/eprint/429

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