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Der soziale Status von Schülern und Schülerinnen mit geistiger Behinderung in Klassen Heilpädagogischer Schulen

Schoop-Kasteler, Noemi (2022). Der soziale Status von Schülern und Schülerinnen mit geistiger Behinderung in Klassen Heilpädagogischer Schulen. (Dissertation, Universität Freiburg, Schweiz, Philosophische Fakultät)

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Der individuelle soziale Status in der Klasse (z. B. Akzeptanz und Ablehnung) hat ei-ne grosse Bedeutung für die soziale und akademische Entwicklung von Schülern und Schüle-rinnen. Von der umfangreichen Forschung bei typisch entwickelten Schülern und Schülerin-nen weiss man, dass der soziale Status von verschiedenen individuellen (z. B. Verhaltensprob-leme oder soziale Fähigkeiten) und kontextuellen Faktoren (z. B. Niveau an Verhaltensprob-lemen in der Klasse) abhängt. Eine systematische Literaturübersicht (siehe Artikel 1) hat ge-zeigt, dass der soziale Status und die mit ihm zusammenhängenden individuellen und kontex-tuellen Faktoren von Schülern und Schülerinnen mit geistiger Behinderung in Heilpädagogi-sche Schulen bislang kaum untersucht wurden. Gerade diese Schülerschaft steht hier jedoch vor besonderen Herausforderungen. Einerseits zeigt ein grosser Teil von ihnen Verhaltens-probleme und verfügt über eingeschränkte soziale Fähigkeiten. Andererseits ist das Niveau an Verhaltensproblemen in Klassen Heilpädagogischer Schulen oft erhöht. Die vorliegende Dis-sertation untersucht deshalb als Hauptfrage den sozialen Status von Schülern und Schülerin-nen mit geistiger Behinderung in Heilpädagogischen Schulen sowie dessen Zusammenhang mit individuellen Verhaltensproblemen, dem Niveau an Verhaltensproblemen in der Klasse und den individuellen sozialen Fähigkeiten. In einem ersten Schritt wurde ein Verfahren zur Erfassung des sozialen Status von Schülern und Schülerinnen mit geistiger Behinderung in Heilpädagogischen Schulen untersucht. Darauf aufbauend wurde in zwei Artikeln herausge-arbeitet, welche individuellen und kontextuellen Faktoren mit dem sozialen Status der be-schriebenen Schüler und Schülerinnen zusammenhängen.
Viele Schüler und Schülerinnen mit geistiger Behinderung haben schwerwiegende kognitive, sprachliche und soziale Schwierigkeiten, die eine sinnvolle Nutzung von herkömm-lichen Peernominationen zur Erfassung des sozialen Status unmöglich machen. Aufgrund des-sen wurde in einer vorgängigen Fragebogenerhebung (siehe Artikel 2) mit typisch entwickel-ten Schülern und Schülerinnen (N = 441; MAlter = 11.36 Jahre, SD = 0.89; 46.8 % weiblich) und deren Lehrpersonen (N = 27; MAlter = 34.24 Jahre, SD = 10.85; 85.2 % weiblich) in Re-gelschulen untersucht, ob der soziale Status, der mit auf Lehrpersonenauskünften beruhenden Nominationen berechnet wurde, mit den Ergebnissen von Peernominationen übereinstimmt. Anschliessend wurde anhand der Ergebnisse diskutiert, ob die Lehrpersonenauskünfte zur Erfassung des sozialen Status von Schülern und Schülerinnen mit geistiger Behinderung eine Alternative zu herkömmlichen Peernominationen bieten können. Die Ergebnisse zeigen, dass Lehrpersonenauskünfte und Peernominationen nur teilweise übereinstimmen. Bei typisch entwickelten Schülern und Schülerinnen in Regelschulen können Peernominationen nicht oh-ne weiteres durch Lehrpersonenauskünfte ersetzt werden. Dennoch kann die partielle Über-einstimmung als potenzielle Chance zur Erfassung des sozialen Status von Schülern und Schülerinnen mit geistiger Behinderung angesehen werden, insbesondere bei solchen mit schwerer oder schwerster geistiger Behinderung, die nur sehr geringe verbale Fähigkeiten ha-ben und manchmal schwere Verhaltensprobleme aufweisen. Die untersuchte Methode kann daher als Ausgangspunkt angesehen werden, um den sozialen Status in Klassen Heilpädago-gischer Schulen zu untersuchen, und wurde in der vorliegenden Dissertation verwendet, um den sozialen Status zu erfassen.
Zur Beantwortung der leitenden Forschungsfrage nach den mit dem sozialen Status zusammenhängenden individuellen und kontextuellen Faktoren von Schülern und Schülerin-nen mit geistiger Behinderung in Heilpädagogischen Schulen wurden Daten aus dem Projekt «Kompetent mit Peers – KomPeers» (SNF-172773) verwendet, das, vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert, in 16 Deutschschweizer Heilpädagogischen Schulen für Schüler und Schülerinnen mit geistiger Behinderung durchgeführt wurde. Schulmitarbeitende in Heilpä-dagogischen Schulen gaben an zwei Messzeitpunkten mittels Fragebogen Auskunft zum sozi-alen Status und zu den individuellen und kontextuellen Eigenschaften von über 1000 Schülern und Schülerinnen mit geistiger Behinderung. Die Ergebnisse (siehe Artikel 3) zeigen, dass mehr individuelle Verhaltensprobleme zu Beginn des Schuljahres eine geringere Akzeptanz und eine grössere Ablehnung der untersuchten Schüler und Schülerinnen (N = 1125; MAlter = 11.26 Jahre, SD = 3.76; 31 % weiblich) am Ende des Schuljahres voraus-sagten, wobei frühere Verhaltensprobleme und andere Variablen berücksichtigt wurden. Der Effekt der individuellen Verhaltensprobleme auf den sozialen Status war unabhängig vom Niveau an Verhaltensproblemen in der Klasse.
Weiter (siehe Artikel 4; N = 1068 Schüler und Schülerinnen; MAlter = 11.98 Jahre, SD = 3.74; 31.5 % weiblich) konnte gezeigt werden, dass die als akzeptiert eingestuften Schüler und Schülerinnen über mehr soziale Fähigkeiten verfügten als Schüler und Schülerin-nen der durchschnittlichen soziometrischen Statusgruppe. Abgelehnte Schüler und Schülerin-nen hatten weniger soziale Fähigkeiten. Beide Ergebnisse stehen im Einklang mit Studien zu typisch entwickelten Schülern und Schülerinnen. Die sozialen Fähigkeiten der Schüler und Schülerinnen in der vernachlässigten und kontroversen soziometrischen Statusgruppe unter-schieden sich nicht von denen in der durchschnittlichen, was im Gegensatz zu Studien über typisch entwickelte Schüler und Schülerinnen steht.
Schlussfolgernd kann gesagt werden, dass mehr Verhaltensprobleme und weniger so-ziale Fähigkeiten mit einem geringeren sozialen Status von Schülern und Schülerinnen mit geistiger Behinderung in Heilpädagogischen Schulen einhergehen. Diese Schüler und Schüle-rinnen tragen damit ein grösseres Risiko in ihrer sozialen und schulischen Entwicklung. Auf der Basis der vorliegenden Ergebnisse werden theoretische und praktische Implikationen diskutiert.

Item Type:

Thesis (Dissertation)

PHBern Contributor:

Schoop-Kasteler, Noemi

Language:

German

Submitter:

Noemi Schoop

Date Deposited:

16 Oct 2023 14:58

Last Modified:

13 Dec 2023 13:25

PHBern DOI:

10.57694/7077

URI:

https://phrepo.phbern.ch/id/eprint/7077

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